Der "Kamelienseidel"
Jacob Friedrich Seidel gründete 1813 eine Zierpflanzen-Erwerbsgärtnerei in Dresden. Damit gründete er die erste Spezialgärtnerei des deutschen Zierpflanzenbaus überhaupt und legte den Grundstein für das später so berühmte „Sächsische Anbaugebiet“.
Weitsichtig erkannte er den gärtnerischen Wert der Kamelie und entwickelte diese zur ersten Spezialkultur des deutschen Zierpflanzenbaus. Später folgten Azaleen und Rhododendron und bildeten gemeinsam die „Sächsischen Moorbeetkulturen“. Durch sein Geschick und seine „märchenhafte Originalität“ (20) baute er ein Weltimperium der Kamelien auf. Dabei ist einer seiner größten Verdienste die Erschließung der Exportmärkte, vor allem Rußlands, für den deutschen Gartenbau.
Die Kamelien im Tornister
Bekannt ist J. F. Seidel aber mehr durch die hübsche Tornistergeschichte, von der wir nicht einmal genau wissen, ob sie wahr ist. Im Jahre 1810, also mit 21 Jahren, ging Seidel nach Paris in den Jardin des Plantes, den Botanischen Garten, wo auch sein Vater, der churfürstliche Hofgärtner Johann Heinrich Seidel, bereits vor 1771 und bis zu seiner Ankunft sein Bruder Gottlob Friedrich arbeiteten.
Es war die Zeit Kaiser Napoleons, seiner Kriege und auch der Kontinentalsperre. Aber auch die von Kaiserin Josephine, Napoleons Frau, die in hohem Maße gärtnerisch-botanisch interessiert war. Im Schlossgut Malmaison legte sie einen Garten und Gewächshäuser an und sammelte intensiv Pflanzen.
Josephine ist zwar als „Rosenkaiserin“ bekannt, besaß aber auch frühzeitig Kamelien. Die von Napoleon 1806 verfügte und 1814 endende Kontinentalsperre war als Wirtschaftsblockade gegen die Britischen Inseln gedacht und sollte den Handel mit dem Kontinent unterbinden. 1808 wurde die Blockade für kurze Zeit unterbrochen. Dies nutzten natürlich die Gärtner, um Pflanzenschätze aus England zu holen. Einer von ihnen war der Händler De Bast, der auch zwei Kamelien, eine rot- und eine weißblühende, mit nach Belgien brachte. Aus Dankbarkeit für die Unterstützung des Botanischen Gartens in Gent wurden diese an Kaiserin Josephine übergeben (21).
Nach Paris fuhr also Seidel, um seine Ausbildung fortzusetzen. Später wird berichtet, er sei als Inspektor dort im Botanischen Garten tätig. Im Jahre 1812 stellte Napoleon ein Heer von einer halben Million Soldaten auf, um nach Rußland zu ziehen. Sachsen gehörte zu den Verbündeten (Rheinbund) und so sollte auch Jacob Friedrich Seidel mit nach Osten marschieren. Im Frühjahr 1813 in Erfurt angelangt, wollten die Franzosen die Ortskenntnisse Seidels nutzen. Da soll er des Nachts desertiert und nach Dresden gegangen sein. In seinen Tornister hatte er noch in Paris drei Kamelienpflanzen zwischen Kartoffeln gepackt. Diese sollten für die notwendige Feuchtigkeit sorgen. (Denkbar ist auch, daß es sich nicht um Pflanzen, sondern um Stecklinge handelte, die direkt in die Kartoffeln gesteckt wurden.) In Dresden angekommen, gründete er dann am 24. Juni 1813 mit seinem Bruder Traugott Leberecht auf einem Pachtgrundstück in der Kleinen Plauenschen Gasse seine erste Gärtnerei. Die mitgebrachten Kamelien sollten der Grundstock für die später so berühmte Kamelienproduktion sein.
Soweit die Geschichte.
Dazu muß angemerkt werden:
Dr. Mustafa Haikal studierte beim Verfassen seines Buches „Der Kamelienwald“(4) Urkunden und Papiere. Demnach verließ Seidel am 19.04.1813 als Zivilist Paris. Im Reisepaß sind u.a. die Stationen Straßburg, Karlsruhe und Ludwigsburg vermerkt. Damit verbannt er die Geschichte, soweit sie die Rückkehr nach Sachsen betrifft, in das Reich der Legende.
Vielleicht hilft uns die Mitteilung, daß er „auf Verwendung seines Chefs mit dem Ausweispapier Capitaine d´armée versehen“ (9) wurde. Daher mußte er nicht als einfacher Soldat marschieren, sondern konnte vielleicht wie ein Zivilist reisen.
So könnte die Geschichte wieder stimmen. Genau wissen wir es aber nicht.
Die Gründung der Gärtnerei war trotz allem erstaunlich und mutig genug. In Dresden regierte das Militär. Die Stadt sollte zu einem Zentrum französischer Stellungen ausgebaut werden. Im März war schon die Augustusbrücke gesprengt worden. Im August gab es dann die Schlacht um Dresden, verbunden mit großen Zerstörungen in der Stadt. Das Ende kam erst im November mit der Kapitulation der zurückgebliebenen französischen Besatzung.
Vielleicht lag diesem Schritt einfach die Erkenntnis zugrunde, daß die Menschen, der Kriegsnöte müde, sich nach Blumen, Blüten und anderem Schönen sehnten.
Auch ist anzumerken, daß es ein wenig unglaubwürdig ist, mit drei Kamelien einen Betrieb gründen zu wollen. Sicher stand hier der Vater und Hofgärtner Johann Heinrich Seidel hilfreich zur Seite. Dazu aber später.
Um dies zu verfolgen, gehen wir erst einmal zurück in Jacob Friedrichs Kindheit.
Der Hofgärtnervater
Geboren wurde Jacob am 4. Oktober 1789 in Dresden. Seine Mutter war Johanna Eleonore geb. Fleischer, Tochter des Rats-Braumeisters. Sein Vater war seit 1778 als churfürstlicher, und später ab 1806 als königlicher Hofgärtner im Herzogingarten, insgesamt 37 Jahre im Amt.
Jacob Friedrich hatte noch 9 ältere Geschwister. Von den 10 Hofgärtnerskindern, geboren zwischen 1773 und 1789, wurden 4 Jungen wieder Gärtner und 2 Töchter heirateten bei Gärtnern ein.
Der Hofgärtner trug unglaubliche 4300 verschiedene Pflanzen (1806) zusammen und besaß damit eine der größten Pflanzensammlungen Europas. Ein großer Verdienst waren auch seine herausgegebenen Kataloge. Im „Verzeichnis derer Pflanzen, welche im Churfürstlichen Orangengarten Dresden beim Hofgärtner Seidel zum ersten Male geblüht haben“ taucht 1792 auch eine Camellia japonica auf. Seit dieser Zeit könnte Jacob Friedrich also die für ihn schicksalhafte Blume kennen.
Später erweiterte der Hofgärtner seinen Kamelienbestand zusehends. Schon 1807 waren es soviele, daß er sie zum Verkauf anbot (4).
Im Jahre 1811 zählt er in seinem „Synonymischen Verzeichnis“ 4 Varietäten auf:
- Camellia japonica fl. Simpl . Rubro einfach roth =? ’Rubra Simplex’
= Synonym von ’Rubra’ (1788)
- Camellia japonica pleno rubro gefüllt roth = C.j.’Rubra Plena’, (1793)
- Camellia japonica pleno alba gefüllt weiß = C.j.’Alba Plena’, (1792)
- Camellia japonica pleno varieg. gefüllt gefleckt = C.j.’Variegata’, (1792)
(7,15).
Offensichtlich hatte Johann Heinrich Seidel beste Beziehungen nach England, so daß er unmittelbar nach der Einführung aus Fernost und noch vor der Kontinentalsperre die Kameliensorten erhielt.
Spätestens an dieser Stelle soll, in Erinnerung an das belgische Kameliengeschenk für die Kaiserin Josephine de Beauharnais, spekulativ überlegt werden, welche Kameliensorten Jacob Friedrich mit nach Dresden brachte. Da es zu dieser Zeit nur wenige Varietäten in Frankreich gegeben haben kann, ist es durchaus möglich, daß Nachkommen dieser beiden später auch in Seidel’s Tornister waren.
Würden die beim Vater vorhandenen Sorten nicht berücksichtigt und besieht man sich zum Vergleich die Angebotsliste von 1816 (10), wären folgende Japonica - Sorten denkbar: ’Lady Hume’s Blush’ = ’Incarnata’(1806), ’Anemoniflora’(1806), ’Kew Blush’ = ’Pompone’ (1810), ’Lutea Plena’(1812), ’Middelmist’s’ = ’Middelmist’s Red’ (1812), ’Paeoniiflora’(1812), ’Foliis Variegatis’ (1816) und ’Longifolia’ (1816).
Allerdings, bei den Sorten, die erst 1812 beschrieben wurden, wäre es doch erstaunlich, daß diese trotz Blockade im Frühjahr 1813 schon verfügbar gewesen sein sollten. Die beiden auf 1816 datierten Sorten könnten aber dabei gewesen sein, weil es sich um Erstbenennungen durch Seidel handelt.
Letztendlich steht die Frage, ob die bereits in Dresden vorhandenen und die durch Jacob Friedrich mitgebrachten Sorten wirklich alles Verschiedene waren.
Der nächste Schritt zur Klarheit, wäre ein Studium evtl. vorhandener Listen des Jardin des Plantes aus den Jahren 1812/13.
Betriebsgründungen in Dresden und Wien
So können wir also davon ausgehen, daß bei der Gründung des Betriebes Jacob Friedrich und sein 14 Jahre älterer Bruder Traugott Leberecht (1775 – 1858) durchaus auf die Kamelienbestände des Vaters zurückgreifen konnten. Auch wenn Seidel die Kamelie seit 1813 produzierte, entwickelte sie sich erst ab 1818 zu der Spezialkultur des Betriebes. Anfangs gab es eine Vielzahl verschiedener Pflanzen, viele Neuholländer, Orchideen, aber auch Gemüse, die die Seidel-Brüder kultivierten und handelten. Im Rückblick hat Jacob Friedrich Seidel allein oder gemeinsam mit seinem Bruder mit der Gründung des Betriebes nicht nur den Grundstein für den Dresdner bzw. sächsischen Gartenbau gelegt; er entwickelte mit der Kamelie auch die erste Spezialkultur des deutschen Zierpflanzenbaus (unter Glas) überhaupt.
Auch die Frage, in welcher Zeit die Gebrüder Traugott Leberecht und Jacob Friedrich Seidel das Unternehmen gemeinsam führten, wird in den Quellen sehr verschieden dargestellt. Allgemein üblich wird der 24. Juni 1813 als Datum einer gemeinsamen Gründung angesehen. Im Familienarchiv (9) wird aber beschrieben, daß am besagten Johhannistage nur Jacob Friedrich allein eine Firma gründete. Im gleichen Archiv steht zu lesen, daß beide Brüder, entsprechend der Annoncen im „Dresdener Anzeiger“ ihre Geschäfte selbständig nebeneinander führten. Erst am 31.08.1818 ist erstmals eine gemeinsame Veröffentlichung zu finden. Das Jahr 1818 wird aber in gleicher Quelle schon wieder als Trennungsjahr bezeichnet. Jacob Friedrich Seidel erwirbt ja dann auch später am 31.07.1819 das Grundstück „Äußere Rampische Gasse“ allein. Offensichtlich verbanden sich die Brüder von Zeit zu Zeit zu geschäftlichen Vorhaben. So brachten sie 1824 gemeinsam einen selbst hergestellten Pomeranzenextract heraus (9).
Am 12. Juli 1830 pachteten die Gebrüder Seidel offenbar gemeinsam ein Gelände einer ehemalign Bastion in Penzing bei Wien, um dort eine Gärtnerei zu errichten. Vermutlich war Traugott Leberecht, der mit einer Wienerin verheiratet war, noch bis 1832 Dresdner Bürger, ging aber dann dauerhaft nach Wien. Im Jahre 1834 lesen wir von der Gründung einer Gärtnerei und eines „Camellien-Lokals“ auf dem oben genannten Bastionsgelände. Zu seinen Gästen gehörten der österreichische Kaiser Franz II., Napoleons Witwe Marie Louise und viele damals bedeutende Persönlichkeiten (9). Andere Quellen nennen das Jahr 1825 als Trennungsjahr (7). Dies bestätigt auch ein nicht genannter Autor (1), der bereits 1825 davon berichtet, daß Traugott Seidel damals schon seinen Wohnsitz in Wien aufgeschlagen hätte und beide Brüder in „fortwährender Verbindung“ stehen. In gleicher Quelle lesen wir auch, daß Traugott Seidel „… in Penzingen nächst Schönbrun ein Haus mit Garten und Glashaus durch Kauf an sich gebracht“ hat. Es ist auch von der Übersiedlung seine Pflanzenschätze (offenbar aus Dresden) im Herbst die Rede. So können wir dies auf 1825 datieren. Weiter wird geschrieben:“ Den größten Schaz hat Herr Seidel an seinen Camellien…“. Auch berichtet der Autor dieser Correspondenz-Nachrichten, daß seit einigen Jahren die Seidels schon jährlich einmal größere Mengen Pflanzen nach Wien lieferten.
Jacob Friedrich kaufte am 31. Juli 1819 auf der Äußeren Rampischen Gasse ein neues Grundstück für seine Gärtnerei. Es wird im alten sächsischen Flächenmaß mit 34.066 Quadratellen angegeben (9). Das entspricht 10.928 m², also einem reichlichen Hektar Land. In späteren Jahren hat er es durch Zukäufe stetig erweitert. Das Grundstück lag zwischen dem königlich-sächsischen Elb-Holzhof und der „Goldenen Gans“. Dazu gehörten ein Wohnhaus, ein Gewächshaus und drei steinerne Mistbeetkästen. Alles zusammen kostete 3000 Taler. Als Gärtnereistandort behielt Seidel das Grundstück bis 1865.
1824 wurde das bisher betriebene Samengewölbe am Altmarkt aufgegeben. Das Geschäft entwickelte sich immer mehr vom Direktverkauf zum Versandgeschäft. Auch dies hängt mit der zunehmenden Spezialisierung auf Kamelien zusammen.
Das Kamelien – Imperium wächst
Im Intelligenz – Blatt von 1816 (10) bietet der Handelsgärtner G.F. Seidel von der Kleinen Plauischen Gasse „schön blühende, zum Theil noch sehr seltene Pflanzen, welche gegen sogleich baare Bezahlung in Conventionsgelde bei Unterzeichnetem zu haben sind“. Darunter sind folgende japanische Kamelien:
alba plena = ’Alba Plena’ (1792)
foliis variegatis = ’Foliis Variegatis’ (1816 von Seidel hier
erstmals benannt)
animoniflora = ’Animoniflora’ (1806)
Creville’s Red = ’Greville’s Red = Synonym von’ Rubra Plena’
(1794)
Kew Blush. = Synonym von ’Pompone’ (1810)
Lady Hume’s Blush. = Synonym: ’Incarnata’ (1806)
longifolia. = ’Longifolia’ (1816 von Seidel hier
erstmals benannt)
lutea plena. = Synonym von ’Welbankiana’ (1812,1816)
Middelmist’s. = ’Middelmist’s Red’ (1812)
Paeoniflora. = ’Paeoniiflora’ (1812)
rubra plena. = ’Rubra Plena’ (1794)
rubra simplex. = Synonym von ’Rubra’ (1788)
Striata plena. = Synonym von ’Variegata’ (1792)
Die Unterzeichnug mit G.F. Seidel, eigentlich für Gottlob Friedrich ist etwas irritierend, denn gleichfalls wird als Standort die Plauische Gasse angegeben, die eigentlich Jacob Friedrichs Gärtnereistandort ist. Vielleicht gilt auch hier, daß sich nicht nur die Brüder Leberecht und Friedrich, sondern auch Gottlob als Dritter im Bunde sich zeitweise geschäftlich verbanden.
Daß seit 1818 die Kamelienproduktion bei Jacob Friedrich rasch wuchs, zeigen nicht nur seine umfangreichen Lieferungen nach Wien. Dies wird auch beim Besuch des Großherzogs von Sachsen-Weimar, Carl August, am 2. Juni 1827 deutlich. Sein Freund und Minister, Johann Wolfgang von Goethe, der auch botanisch sehr interessiert war, verfolgte von Anbeginn die Betriebsgründung Seidels. Bekannt war er ja schon seit längerem mit dem Vater und Hofgärtner.
Bei drei Besuchen 1794, 1810 und 1813 war es die „Metamorphose der Pflanzen“, die Goethe in den Herzogingarten zu dem kenntnisreichen Gärtner zog. Aus mindestens 2 kurzen Tagebuchnotizen wissen wir, daß er von Friedrich Jacob und seinem Tun wußte. Offensichtlich verfolgte er wohl später die Entwicklung und besprach diese auch mit seinem Dienstherrn. Dieser, unglücklich darüber, daß seine Kamelien im Weimarer Belvedere so schlecht gediehen, sah nun den hervorragenden Kulturzustand von Jacob Friedrichs Pflanzen und schrieb einen wütenden Brief an seine Gärtner nach Weimar.“Nachdem ich gestern den Wald von Camellien bey Seydeln hier gesehen habe, so bin ich überzeugt worden, daß sämtliche Gärtner in Belvedere auch nicht den geringsten Begriff von Zucht und Vermehrungsart dieser prächtigen Pflanzen besitzen“. Was der hohe Herr nicht bedachte, ist einfach die Tatsache, daß Kalk für Kamelien nicht zuträglich ist, jedoch in Weimar Boden ind Gießwasser kalkhaltig sind. Die heutigen Gärtner dort helfen sich mit Regenwasser.
Wie entwickelte sich nun die Kamelienproduktion bei Jacob Friedrich Seidel?
1824 führte er 19 Sorten (6). Seidel selbst schreibt 1837 (13), daß er seit 1810, also schon seit seiner Zeit im Jardin des Plantes in Paris, Kamelien „mit dem glücklichsten Erfolge“ kultiviert. Im Jahre 1830 (11) spricht er von bereits 50 Sorten und Varietäten. Wenige Jahre später, 1836, sind es dann schon 308 Sorten im Seidelschen Bestand (13). Er schreibt von 40.000 Exemplaren Bestand bei 10 – 15.000 jährlichem Bedarf (13). Zehn Jahre später führte Seidel 540 Sorten. Die größte Sortenzahl erreichte sein Sortiment vor 1862 mit unglaublichen 1100 Sorten (6). Im genannten Jahr wurde der Bestand dann auf 500 verringert. Seine Beziehungen nach Frankreich konnte Seidel sicher zur Sortimentserweiterung nutzen. Wichtig zur Beschaffung neuer Varietäten war aber vor allem England und Italien. Offensichlich reiste Jacob Friedrich selbst dahin. Es existiert ein Paß von 1822 in Hamburg unterzeichnet, der Seidel berechtigte, über jeden Hafen nach England einzureisen. Sein Sohn Herrmann besorgte sich später neue Sorten direkt aus dem Ursprungsland Japan und gab ihnen Namen von Familienmitgliedern.
In den Anfangsjahren, als der Adel und andere potente Kunden überwiegend die Käufer waren, galt es, ein Vollsortiment aufzubauen. Die Vielzahl der ständig neu erscheinenden Sorten war sehr unübersichtlich. Daher begann Seidel alle in langer Reihe im Glashaus aufzupflanzen. So konnte er nicht nur Doppelbenennungen ausschließen, sondern vielmehr auch Eigenschaften prüfen und der Kundschaft Musterpflanzen vorführen.
Mit zunehmender Massenproduktion und bürgerlichen Kaufinteressenten verringerte sich die Sortenzahl zusehends zu Spezialsortimenten. Die jährlich produzierten Stückzahlen überschritten 1842 bereits die 100.000, 1849 schon 136.000 (7).
Diese Produktion ganzer „Kamelienwälder“ war nur durch die intensive Anwendung der Stecklingsvermehrung möglich. Jacob Friedrich Seidel nutzte diese Methode von Anfang an und berichtete 1848 (12), daß sich „die Behandlung der letzteren seit dem Jahre 1813, in welchem ich mich hier etablierte, sich nicht wesentlich geändert…“ hätte. Seine damaligen Empfehlungen und Methoden sind auch heute noch voll gültig. Wichtig für die Ausdehnung der Massenproduktion war auch die Erfindung des „Japans“. Kamelien können bei wenigen Plusgraden gut überwintert werden. Um dafür nicht teure Gewächshausanlagen bauen zu müssen, ließ Seidel tiefe Erdkästen ausheben. Diese wurden im Winter mit Brettern und Laub überdeckt und bedurften nur geringer Heizung. Als Seidel einem gerade aus Japan zurückgekehrten Bekannten die darin untergebrachten großen Mengen Kamelien zeigte, meinte dieser: „Es ist ja wie in Japan“. So bekamen die Kästen, die bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts aus dem sächsischen Zierpflanzenbau und den Baumschulen nicht wegzudenken waren, ihren Namen. Unklar in den Quellen ist allerdings, ob schon Jacob Friedrich oder erst Herrmann Seidel diese erfand.
So, wie die produzierten Stückzahlen wuchsen, so mußten auch die Absatzmöglichkeiten organisiert werden. Schon bald reichten dafür der Dresdner, der sächsische und auch der deutsche Markt nicht mehr aus. Im Jahre 1836 (13) spricht Seidel bereits von Exporten nach Österreich, Ungarn, Polen, Rußland usw. Und er erwähnt sogar Odessa als fernes Ziel. 1834 reiste Seidel selbst mit Pferdefuhrwerk und Dampfschiff nach Petersburg. Seine Ladung waren 5000 Kamelien. Die Ballen der Pflanzen waren in Moos eingepackt und die Zwischenräume gleichfalls mit Moos ausgestopft. So überstanden sie die lange Fahrt über holprige Straßen tadellos. Der Erfolg gab ihm Recht, konnte er doch die Planzen für 130 bis 150 Taler pro Stück verkaufen. Dies war ein weitsichtiges Tun, denn der russische Markt war bis zum 1. Weltkrieg das wohl größte Absatzgebiet der Seidelschen Gärtnerei. So kam es zu der pflanzengeschichtlichen Besonderheit, daß die ostasiatische Gattung Camellia ihren Weg nach Westasien über die deutsche Gärtnerei Seidel fand (20).
Die enorme Produktion bedurfte des Absatzes weltweit. Um diesen anzuregen, erkannte Seidel frühzeitig die notwendige Schaustellung seiner Pflanzen.
Spätestens seit März 1839 lud Seidel zur Besichtigung des „hervorragend schönen Camellien-Flors“ ein.
Spalier, Schauhaus und Ausstellungen
Im Jahre 1836 berichtet Seidel (13) von dem außerordentlich schönen Anblick eines in voller Blüte stehenden Spaliers. Eines seiner Kamelienspaliere war 20m lang und 2,40m hoch, mit 20 Sorten Kamelien bepflanzt. Wörtlich schreibt er:
„In Deutschland, auf dem ganzen Continente, ja selbst in England ist kein gleich schönes Spalier nicht zu finden. Es erregt daher während der langen Dauer der Blüthezeit fortwährend die laute Bewunderung und den Beifall der zahlreichen Besuchenden und das günstigste Urtheil wurde mehrfach öffentlich darüber ausgesprochen.“ Dem „gebildeten Publikum“ bot er dann auch gleich vorgezogene Spalierpflanzen zur Nachahmung an.
Bestätigt wird die Aussage in der „Chronik des Gartenwesens“ von 1851, in der das Spalier zu den „europäischen Sehenswürdigkeiten“ zählt. Wörtlich schreibt der Autor: „Die großartigste Ouvertüre für den Frühling ist in Dresden seit einer Reihe von Jahren die Camellienausstellung des Herrn Seidel“
Eine weitere Besonderheit waren „viele Hundert hochstämmige Exemplare in den prächtigsten Sorten“.
Im Jahre 1852 baute Jacob Friedrich Seidel ein großes Schauhaus auf der Rampischen Gasse. Das Haus maß 40 Ellen Länge (22,66 m), 18 Ellen Breite (10,20 m) und 15 Ellen Höhe (8,50 m) und bestand aus einer Stahlkonstruktion mit gewölbten Bogenfenstern. Das Vorbild dafür stand in England, ein von Joseph Paxton 1837 – 1841 errichtetes und viel bestauntes Palmenhaus in Chatsworth (7). Drinnen pflanzte Seidel eine landschaftlich gestaltete Schauanlage für Kamelien.
Wie sehr sich im Ausland Dresden als Stadt der Kamelien einprägte, wird auf etwas makabre Weise an folgender Nachricht des Senders „Calais“ deutlich: „Achtung, Achtung, Dresden. Johann (vermutlich der Hofgärtner Seidel d.R.) kauft Kamelien.“ Mit diesem Spruch wurden in Dresden lebende Ausländer aufgefordert, die Stadt vor den Bombenangriffen des 13. Februar 1945 zu verlassen.
Die Marktwirkung läßt sich natürlich noch erhöhen, wenn die Gärtner sich zusammenschließen und gemeinsam auftreten, auch wenn anfangs und für längere Zeit die drei Seidel-Brüder mit ihren Betriebsgründungen die Einzigen waren.
Noch 1830 zählte man erst 4 – 6 Handels- bzw. Erwerbsgärtnereien mit Zierpflanzen. Im Jahre 1855 waren es dann gut 20, Ende der Fünfziger schon 40 Erwerbsgärtnereien.
Kurfürst Friedrich August III, der 1806 zum König gekrönt nun Friedrich August I. (Der Gerechte) hieß – er wird auch als Botaniker auf dem Thron bezeichnet – ließ 1820 den Botanischen Garten in Dresden anlegen und berief als dessen Leiter den erst 27jährigen Professor der Medizin, Dr. Ludwig Reichenbach (3). Dieser bemühte sich, Gartenbesitzer, Blumenfreunde, Hofgärtner und Gärtnereibesitzer zu einer gärtnerisch-botanischen Gesellschaft zusammenzuführen. 1826 wurde die „Flora“ gegründet. Seit 1828 hieß sie „Flora-Gesellschaft für Botanik und Gartenbau in Dresden“. Anfangs dominierten die Liebhaber und Hofgärtner. Selbst 1840 finden wir unter den Mitgliedern erst 2 Gärtnereibesitzer. Einer von Ihnen, Jacob Friedrich Seidel, fungierte zeitweise als 2. Direktor der Gesellschaft und war damit auch für Ausstellungen zuständig. Bereits im Januar 1828 veranstaltete die „Flora“ eine erste nicht öffentliche Pflanzenausstellung. Im Oktober des gleichen Jahres folgte dann eine Fruchtausstellung, die erste öffentliche Schau. Die erste Ausstellung blühender Pflanzen fand im Mai 1829, auch unter Beteiligung Jacob Friedrich Seidels, im Palais im Großen Garten statt. Aus dieser frühen Ausstellungstätigkeit erwuchsen später die drei großen Internationalen Gartenbauausstellungen in Dresden 1887, 1896 und 1907, die in hohem Maße unter Federführung des Sohnes Herrmann Seidel und der Enkel Rudolf und Heinrich standen (3).
Jacob Friedrichs und Traugott Leberechts vielseitiges botanisches Interesse wird auch in anderem Zusammenhang deutlich. 1821 erschienen die „Hülfsblätter zum Studium der Botanik“, herausgegeben von T. und J. Seidel und Moritz Tettelbach (16). Im Familienarchiv (9) finden wir den Hinweis, daß dies mit Unterstützung von Prof. Reichenbach geschah. Es handelt sich um 47 farbige Zeichnungen verschiedener Pflanzen, u.a. auch Rhododendron und Erika beinhaltend. Zu dieser Zeit gehörten die Rhododendron längst zu den Pflanzen, denen J.F. Seidel seine besondere Aufmerksamkeit schenkte.
Azaleen und Rhododendron – zwei weitere Spezialkulturen
Auch wenn die Kamelien anfangs der berühmteste Zweig der Firma T.J. Seidel waren, so gehörten zu deren Spezialkulturen auch Azaleen und Rhododendron.
Während ein Botaniker beides unter „Rhododendron“ zusammenfaßt, unterscheidet der Gärtner aus dem praktischen Sinn heraus. Mit Azaleen sind die ursprünglich aus China stammenden Hybriden von Rhododendron simsii Planch., die sogenannten Indischen oder Zimmerazaleen gemeint. Als Rhododendron wurde vorerst meist nicht winterharte Treibware von großblättrigen Rhododendren bezeichnet. Später umfaßte der Begriff natürlich vor allem die großblumigen winterharten Rhododendron-Hybriden.
Im Jahre 1818 kamen die Azaleen nach Deutschland. Im Jahre 1836 produzierte Seidel 12 zumeist aus England stammende Sorten (6). Schon 1846 waren es 200 Sorten, die T.J. Seidel im Sortiment führte. Allerdings waren dabei keine eigenen Züchtungen. Die erste deutsche Sorte überhaupt entstand bei Ludwig Leopold Liebig (Dresden) im Jahre 1843 und hieß ’Aurora’.
Die ersten Azaleen-Züchtungen Seidels kamen 1867, also 7 Jahre nach dem Tod Jacob Friedrichs, heraus. Ob er daran beteiligt war, wissen wir nicht.
Die Firma T.J. Seidel schuf das erste winterharte Sortiment großblumiger Rhododendronhybriden in Deutschland. Damit verbunden sind der heute noch existierende Betrieb T.J.R.Seidel in Grüngräbchen bei Kamenz sowie der Name Rudolf Seidel (17)(18)(19). Die Grundlagen für diesen Erfolg wurden jedoch schon viel früher durch den Großvater Jacob Friedrich gelegt (14).
Zu seiner Zeit waren Rhododendron eigentlich Pflanzen der Orangerien und Glashäuser. Sie wurden getrieben und in Töpfe gepflanzt verkauft. Seidel erkannte bereits 1820 eine Reihe von Rhododendren für ausreichend hart und in Deutschland anbauwürdig: Rh. azaleoides, Rh. catawbiense, Rh. ferrugineum, Rh. hirsutum, Rh. maximum, Rh. dahuricum, Rh. dahuricum atrovirens.
Veröffentlicht hat er seine Erkenntnisse in der Schrift „Rhodoraceae“, die 1846 erschien (14). Hätte sein Sohn Herrmann diesen Weg, die Feststellung der wirklich winterharten Arten, weiterverfolgt, um diese zu kreuzen, so wäre das winterharte Sortiment Jahrzehnte früher entstanden. Stattdessen erlag er zwei fundamentalen Irrtümern, die zuerkennen es vieler Jahre bedurfte.
Durch seinen Englandaufenthalt in der Baumschule John Standish glaubte auch er wie viele andere, daß sich die wunderschönen englischen und holländischen Sorten akklimatisieren ließen. Doch die genetische Bandbreite steht nun einmal fest; eine Akklimatisierung erfolgt nicht.
Aus den Akklimatisierungsversuchen im Striesener Kiefernwald zeigten sich einige Sorten für Dresdner Verhältnisse winterhart. Diese kreuzte nun Herrman Seidel. Das Material war aber viel zu „buntscheckig“. Die Herkunft und damit die Eigenschaften der Sorten waren unzureichend bekannt. Nun endlich reifte die Erkenntnis, daß man nur kreuzen kann, wenn der Züchter die Eigenschaften kennt. Das heißt, es sollten die Arten verwendet werden und damit war er wieder bei seinem Vater Jacob Friedrich Seidel.
Was war das nun für ein Mensch, dieser „Kamelienseidel“?
Die Quellenlage ist recht dürftig. Einiges verdeutlicht ja auch sein Erfolg.
Aber es gibt noch mehr Privates zu berichten.
Sein unternehmerischer Erfolg wird mit unermüdlicher Arbeit, Sparsamkeit und strenger Redlichkeit begründet. Letzteres bestätigt ein Brief seines Bruders Traugott Leberecht an Gottlob Friedrich aus dem Jahre 1839 (9). Diesem blieb der wirtschaftliche Erfolg versagt und Traugott rät ihm, von seinem jüngeren Bruder zu lernen: “Dies ist der ganze Kunstgriff, wodurch Jacob die Käufer anlockt, er macht die Preise billig und gibt schöne Exemplare, zwackt nie was davon ab und tauscht nie die beßeren gegen geringe aus“.
Sein Qualitätsbewußtsein war das eine, die Ablehnung jeder Geheimniskrämerei das andere. In seinem 1837 herausgegebenen Büchlein „Über die Cultur und Vermehrung der Camellien“ (13) schreibt Jacob Friedrich Seidel selbst: „Ich habe nunmehr das Wesentliche über die Cultur und Vermehrung der Camellien mitgetheilt, ohne aus irgend einer Sache ein Geheimniß zu machen, da in der That keins statt findet. Sollte mir jedoch der Einwand gemacht werden, als könnte ich meine Erfahrungen ohne meinen eigenen Nachtheil nicht veröffentlichen, so begegne ich diesem Vorurtheil …, daß es mir nur wünschenswert sein kann, wenn es allen meinen Geschäftsfreunden gelingt, ihre Mühe und Zeit mit dem besten Erfolg gekrönt zu sehen. Nur dadurch erhält sich und steigt die Lust an der Gärtnerei und jemehr es der Liebhaber giebt, je besser stehn sich doch gewiss die Handelsgärtner.“
Ein drittes ist sicher seine Weitsicht, die, wie schon beschrieben, überall deutlich wird, sei es die Gärtnereigründung inmitten des Krieges, das Erkennen des Wertes der Spezialkulturen Kamelie, Azalee und Rhododendron oder die Öffnung der europaweiten Märkte. Diese Weitsicht war aber immer gepaart mit der Ermutigung Neues zu beginnen. Wir müssen bedenken, daß bei allen diesen heute selbstverständlichen gärtnerischen Dingen, die wir uns heute aneignen - wo wir auch z.T. schmerzliche Erfahrungen machen, uns aber genügend Lehrer und Bücher zur Verfügung stehen - er oftmals derjenige war, der sie zum ersten Male ausprobierte. Dazu gehören z.B. alle Kulturansprüche der Kamelien und anderer Pflanzen, die Vielzahl der technischen Notwendigkeiten vom Gewächshausbau bis zur richtigen Beheizung, die Fragen von Absatz, Verkauf und Transport u.v.m. Immer Neues zu beginnen: Dazu erfahren wir in der Familienchronik (9), daß er 1848 in schon fortgeschrittenem Alter ernsthaft mit dem Gedanken spielte, nach Amerika auszuwandern. Seine ein Jahr vor ihm geborene Schwester war bereits dorthin übergesiedelt. Auch wenn er selbst seine Reisepläne aufgab, Seidels Kamelien wurden später auch nach Amerika verschifft.
Nicht zuletzt aber war es sein praktischer und zupackender Sinn, der ihm bei der Arbeit wie im Privaten Erfolg verschaffte. Seine Mutter schreibt 1831an den älteren Bruder Traugott, bzw. an dessen Ehefrau: „Der praktische Jacob sorgte immer dafür, daß in ihrer Wirtschaft Zucker, Coffee und Wein nicht ausgingen“ (8).
In seiner Jugend wird er als blonder blauäugiger Jüngling von auffällig hübscher Erscheinung beschrieben. Er war wohl auch schon recht früh heimlich verlobt. Weit weg von seinem Dresdner Mädchen, in Paris, machte ihm das offensichlich Sorgen und Heimweh, wie er seinem Bruder brieflich mitteilte. Geheiratet hat er aber dann doch eine andere und das außergewöhnlich spät mit 42 Jahren. Sein Betrieb war dann längst schon bestens gestellt. Seine Braut Rosalie Erdmuthe, 20 Jahre jünger als er, war die Tochter des Blumenzüchters und Garnisionscantors Christian Friedrich Pfeilschmidt. Am 26. August 1832 früh 5 Uhr schickte Jacob Friedrich seiner Braut einen aus Silber getriebenen Korb mit weißen Kamelien als Verlobungsgeschenk. Trauen ließ sich das Paar am
27. August des gleichen Jahres ganz still in der Loschwitzer Kirche. Danach gingen sie spazieren. Nach 14 Tagen luden sie sich Hochzeitsgäste ein. Diesen erklärten sie dann ihre heimliche Trauung mit den Worten: „Ach, das wollten wir für uns alleine haben.“ Zuvor aber wollte Jacob sein Haus auf das Schönste und Originellste einrichten. Er ließ das Wohnzimmer, einer Laube gleich, mit Weinreben, und die Decke darüber lichtblau mit Wolken und Engelsköpfen bemalen (2). Schon nach einem guten Jahr, am 2. Weihnachtsfeiertage, dem
26.12.1833, wurde ihr Sohn T.J. Herrmann geboren, der spätere Nachfolger, welcher das begonnene Werk sehr segensreich fortführte. Am 8. April 1835 erblickte die Tochter Maria Rosalia das Licht der Welt. Sie erhielt den Spitznamen „Tunnel“, weil am gleichen Tag der Durchbruch eines wichtigen Tunnels erfolgte. Sie heiratete später den Samenhändler Carl Mette in Quedlinburg.
Das Jahr 1860 war ein Schicksalsjahr in der Familie. Zuerst starb das neugeborene Enkel, Marias Kind, dann Jacob Friedrich und kurze Zeit darauf die Tochter Maria selbst.
Betrachten wir Lebenswerk und Wirkungen des am 13. April 1860 verstorbenen Jacob Friedrich Seidels bis zum heutigen Tag, so war er die herausragendste Gärtnergestalt Deutschlands im 19. Jahrhundert. Im weitesten Sinne können wir durchaus die vorhergehende Generation, den Hofgärtner, wie auch die beiden nachfolgenden Generationen, dazurechnen. Das Gesamtwerk der Seidel-Gärtner begann in einer Zeit, in der sich die sächsischen Herrscher der Botanik, dem Gärtnerischen und auch dem Fernöstlichen verbunden fühlten und so das nötige Umfeld schufen. Die Seidels lebten vor fast 200 Jahren als selbstverständliche Europäer, ja Weltbürger. Weltkriege und Diktaturen haben dann eine weitere Entwicklung nicht zugelassen; Kreativität und Unternehmertum im Keim erstickt.
Trotz allem kann in den Botanischen Sammlungen Landschloß Pirna-Zuschendorf heute noch, auch wenn es nur ein Bruchteil der ehemaligen ist, eine üppige Blütenpracht Seidelscher Kamelien bestaunt werden.Das gleiche gilt für die Rhododendron bei T.J.R. Seidel im Kiefernmoorwald Grüngräbchen, die längst zu beindruckenden Exemplaren herangewachsen sind.
Nicht nur die hiesigen Gärtner verdienen dank „Kamelienseidel“ heute immer noch ihr Brot mit seinen Pflanzen. Ob er das wohl geahnt hat?
Von Karl Foerster wird des Öfteren als dem Jahrhundertgärtner gesprochen.
Es ist das dem Jacob Friedrich Seidel nachfolgende. Sein bleibender Spruch gilt sicher für beide:
„Wer Träume verwirklichen will, muß wacher sein und tiefer träumen als andere.“
Marion und Matthias Riedel im Februar 2010